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Abhörhinweis!
Bitte verwenden Sie zum Abhören des hier präsentierten binauraleren Audiomaterials Kopfhörer. Das Material wurde gering vorgefiltert, um auf typischen Studiokopfhörern mit Diffusfeldentzerrung einen natürlichen Klangeindruck zu gewährleisten.
Projektbeschreibung
Das MTB-Verfahren (Motion-Tracked-Binaural Sound) wurde 2004 von Algazi et al. (J. Audio Eng. Soc., Vol. 52, No. 11, p. 1142-1156) vorgestellt. Es ist ein neuartiges, kopfbezogenes mehrkanaliges Mikrofonaufnahmeverfahren. Das MTB-Verfahren verwendet eine Anzahl Mikrofone, die horizontal gleichabständig auf einem Trennkörper angebracht sind. Unter Verwendung eines (typischerweise) runden, etwa kopfgroßen Trennkörpers ähnelt es damit einer ‚Rundum‘-Variante des Kugelflächenmikrofons von Schoeps.
Der Trennkörper führt zu akustischen Abschattungen und
örtlichen/zeitlichen Versätzen in den Mikrofonsignale womit die
Aufnahmen ‚binaurale‘ Merkmale wie Laufzeit- und Pegeldifferenzen
enthalten. Die rotationssymmetrische Konstruktion ermöglicht zudem
eine dynamische Audiowiedergabe: Dazu werden einem Hörer zunächst
die Signale je zweier auf dem Trennkörper gegenüber platzierter
Mikrofone per Kopfhörer präsentiert. Gleichzeitig werden die
horizontalen Kopfdrehungen des Hörers mittels eines head trackers in
Echtzeit verfolgt. Dreht der Hörer seinen Kopf, werden die aktuellen
Signale gegen die, der seinen Ohren dann am nächsten liegenden zwei
Mikrofone ausgetauscht (s. Bild).
[1]
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Wird dieser Austausch kontinuierlich und in Echtzeit
vorgenommen, wie es mit heutigen Methoden der Signalverarbeitung
möglich ist, kann sich – wie bei herkömmlicher dynamischer
Binauraltechnik [2] – ein nahezu natürlicher Höreindruck
einstellen: Schallquellen werden bei Kopfbewegungen außerhalb des
Kopfes und mit fester Position wahrgenommen. Je nach Anzahl der
eingesetzten Mikrofone und Art des Überblendens bei neuen
Kopforientierungen kann das Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen
führen.
Beschränkungen der Abbildungsqualität ergeben
sich vor allem durch das Fehlen der Außenohren und durch den fixen
Durchmesser des Trennkörpers. So beobachtet man bei der
MTB-Wiedergabe häufig Probleme mit der vertikalen
Richtungswahrnehmung und der Stabilität der Schallquellenortung. Als
besonders vorteilhaft ist jedoch zu werten, dass MTB das derzeitig
einzige Verfahren darstellt, das reale Szenen mit nachträglich
individualisierbaren dynamischen binauralen Cues aufnehmen kann. Zudem
ist es möglich, das MTB-Livesignal oder dessen Aufzeichnung
gleichzeitig und unabhängig für beliebig viele Hörer
aufzubereiten.
Anwendungsbereiche des MTB-Verfahren ergeben
sich damit bei der Dokumentation von Klanginstallationen, bei der
Forschung an Soundscapes, als interaktives, immersives und dabei
datensparsames Audioübertragungsformat für Live-Übertragungen oder
bei der akustischen Lokalisation im Hochseeeinsatz (Studie der TU
Berlin, des IFAA Aachen und des Bundesamtes für Seeschifffahrt und
Hydrographie).
Die vorliegenden drei Klangbeispiele stammen
aus einer Studie des Fachgebiets, in der erstmals empirisch und
systematisch die klanglichen Auswirkungen der beim MTB-Verfahren
verwendeten Mikrofonanzahl, des Interpolationsverfahrens und des
Inhalts untersucht wurden. Die Videos zeigen den MTB-Player, eine am
Fachgebiet entwickelte Wiedergabesoftware für MTB-Signale. Die
Animation rechts unten zeigt die aktuelle Kopforientierung des
Hörers, die sich beim Erstellen der Videos kontinuierlich änderte.
Im oberen Bereich der Videos sind die Ergebnisse der erwähnten Studie
dargestellt. Das eingeblendete Highlighting soll es erleichtern, sich
einen schnellen Überblick über die wesentlichsten dargestellten
Effekte zu verschaffen. Da die gefundenen Effekte auch
inhaltsabhängig sind, existiert das Video in drei Varianten (für
eine Quelle mit rosa Rauschen, vier Instrumente eines
Streichquartetts, einen Sprecher (in Bearbeitung)). Zunächst werden
die Unterschiede von fünf Überblendungsverfahren - bei konstant
hoher Mikrofonanzahl (24) und geordnet nach steigender
durchschnittlicher Qualität - demonstriert. Danach wird der beim
dritten Interpolationsverfahren am deutlichsten ausgeprägte Effekt
der Mikrofonanzahl hörbar gemacht. Abschließend wird das beste
Überblendungsverfahren vorgeführt, bei dem zudem kaum noch eine
Abhängigkeit der subjektiv empfundenen Qualität von der Anzahl der
verwendeten Mikrofone gezeigt werden konnte.
deos/MTBS.jpg
/demonstratoren/dynamische_binauralsynthese/