Zusammenfassung |
Laut These der "Rock'n'Roll-Schwelle" (Todd & Cody, 2000) kann der besondere Reiz hoher Lautstärken beim Hören von Popularmusik in Clubs oder Diskotheken durch zusätzliche Anregungen des Vestibularsystems erklärt werden, welche erst bei den für diese Rezeptionssituation typischen, hohen Lautstärken im Bassbereich 50-100Hz-Band) ab etwa 90 dB(A) SPL (impulsgewichtet) entstehen. Die dadurch im menschlichen Gleichgewichtssinn evozierten Bewegungsempfindungen liefern psychophysiologische Erklärungen für "Entrainment"-Phänomene (Madison, 2006) und den affektiven Genuss beim Rezipieren besonders lauter elektronischer Tanzmusik (EDM). Bislang wurde dies laborexperimentell demonstriert, in dem während der Darbietung repetetiver, Bassdrum-artiger Stimuli mittels Kopfhörern bei unterschiedlichen Lautstärken vestibulär evozierte myogene Potentiale (VEMPs) am Musculus Sternocleidomastoideus abgeleitet wurden (Todd, 2001. Die vorliegende Studie kann über den Forschungsstand hinaus aufzeigen, dass sich nahezu identische Schwellen für "Roland 909"-Bassdrum-Samples auch mittels des weitaus weniger obstrusiven Verfahrens der Ableitung von VEMPs am Musculus Oblique Superior ermitteln lassen. Ferner konnte über signifikante Anregungsunterschiede bei pegelidentischer Kopfhörer- und Lautsprecherstimulation demonstriert werden, dass für die Vestibularanregung im untersuchten "Technoclub-Szenario" vibrotaktile Schallübertragung mittels Knochenleitung eine weitaus größere Rolle spielt, als bislang angenommen. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass zukünftige Forschungsarbeiten in diesem Bereich die Rolle des jeweils verwendeten Emittersystems bzw. die mögliche vibrotaktile Propagation niedrigfrequenter Stimuli bei der Untersuchungsplanung stärker berücksichtigen sollten. |